Sonntag, 22. März 2015

22.03.2015 - Die Frage ist zu spät

Wenn ich so zurückschaue – auf die schönen und schrecklichen Erlebnisse, dann schaue ich heute mal auf die Fehler …
 
Ich habe in meinem Leben einige Fehler gemacht - aber nicht nur Fehler ....

Sicherlich auch zwischenmenschliche Fehler  – und auch in meinem Berufsleben. Wer kann dies für sein Leben nicht feststellen?

Ich denke im Rückblick: Mit fehlte oft der richtige und gute Mut – in meinem recht lebendigen Leben. 

Insofern dürfte alles so geschehen wie es sollte – oder? Vom Schicksal her gesehen. Kismet?

Zum Beispiel:
Der Neckar-Express wollte mich Anfang der achtziger Jahre rausschmeißen. Der Verleger hatte Recht. Ich hatte es provoziert. Ich machte nur Zeitung für mich und für die Leser... nicht für den Verleger. Und der Neckar-Express war trotzdem erfolgreich.

Warum hat der Verleger mich nicht rausgeschmissen? Warum eigentlich nicht?
Meine gelegentliche Arbeit im Süddeutschen Rundfunk war vielleicht zu bekannt, dachte er sich, denke ich mir – und diese Arbeit war ein kleiner Lorbeer-Kranz für den Neckar-Express? Wer weiß, wer weiß … 

Oh Gott, beim Neckar-Express rausgeschmissen zu werden, das wäre mein großes Glück gewesen … 

Naja - so habe ich mich darauf ausgeruht – ausgeruht auf der angeblichen journalistischen  „Provinz-Freiheit”, für andere arbeiten zu können (Zeitungen, Rundfunk, etc.). 

Hätte man mich – ja ja ja - mich rauszuschmiessen, das wäre das großes Glück für mich gewesen ... wegzugehen aus dieser langweiligen, geldgierigen, kulturlosen Stadt.
 
Aber – ich mag keine großen Städte, um darin zu leben und wohnen. Nein, ich liebe kleine Städte wie Künzelsau, Schwäbisch Hall, Heilbronn – vielleicht noch Freiburg oder Karlsruhe.

Ich hatte ich nen Grundsatz? Naja - meiner war: Doch guter Journalismus macht keine Kompromisse. Er hat Prinzipien. Dafür wird nicht geliebt. Das ist auch richtig so, im Kapitalismus. Geld zählt , nicht die Wahrheit, oder das Streben zur Wahrheit.

Die STIMME mochte mich nicht? Oder: Liebe oder Zuneigung existierte nicht zwischen uns - OK, das hatte ich immer bemerkt. Aber mir war es eigentlich wurscht. 

Ich wollte ja weg … von der protestantischen, antisemitischen (vom Mittelalter bis 1830 durfte Juden nicht in der Stadt wohnen)  Stadt am Neckar, die auf der Turm ihrer Hauptkirche eine Landsknecht stehen hat.

Aber ganz plötzlich: 1987 wollte die STIMME ein privates Radio für die Region Franken gründen. Sehr mutig – und notwendig. Und da die STIMME das Fähnlein immer im Wind flattern ließ und läßt, suchte Menschen, die Radio machen wollen – in der Provinz!

Es gab aber kaum Redakteure in der Provinz, die Radio machen wollten und konnten.

Deshalb hatte auch die STIMME mich gefragt - und mich sogar genommen. Welche ein Wunder...  "Radio Regional Heilbronn" war ein gutes Privat-Radio, am Anfang - vom Journalismus her. Und sogar finanziell sehr erfolgreich.

Als die STIMME keine Mehrheit in der Radio-Regional-Gesellschaft hatte (durch ein neues baden-württembergischen Mediengesetz), da war es der STIMME völlig wurscht, ob noch Journalismus gemacht wird oder nicht – Hauptsache die Kasse für die STIMME war voll. 

Der Neckar-Express hatte 1995 eine schlechte Zeit, da stimmte das Geld schon, aber nicht so - wie der Verlag es wollte:  Die Redaktion war sehr schlecht, sehr schlecht.

Der Neckar-Express  mochte mich ja eigentlich nicht. Verstehe ich ja auch. Ich war nicht sehr pflegeleicht. Aber sie fragten mich trotzdem - mehrfach.  Ich weiß nicht warum. Sicherlich, sie  verstanden nicht, wie die STIMME auch nicht, meinen Ansatz vom Journalismus. Aber das ist auch nicht wichtig – wichtig ist, die Kasse stimmt.

Verleger haben in Zeiten (70ger, 80ger, 90ger Jahren), in denen die Kunden und der Briefträger täglich das Geld ins Haus schaufelten ...  da dachten Verleger und auch viele Redakteure eigentlich nie an die Leser – sie dachten nur an sich und ans große Geld. 

Aber sie kauften mich ein, denke ich manchmal in meinen revolutionären Gedankengängen,  sie haben mich angekauft  - wie eine Nutte – und sie konnten mit mir eine ganze Geld machen. Und ich habe mich hingeworfen …

In Heilbronn wurde 1998 eine neue Sonntagszeitung  geschaffen – der Verleger kam aus Freiburg und die Gazette sah aus wie kleiner Bruder von der ZEIT. 

Die STIMME tobte - zu Recht. Und sie kämpfte mit viel Geld gegen diese Konkurrenz an. Das war eine große Sünde gegen das Monopol. 

Und so kauften sie mich – komischerweise -  ein. Ich war geschmeichelt – und dachte an meine Zukunft.
 
Der Zeitungskrieg im Unterland tobte  - zwischen “Neckar-Express/Sonntagszeitung” gegen “Heilbronner Stimme/ echo am Mittwoch/Sonntag”. Die Maus gegen den Elefanten.

Das Ende war: Die Sonntagszeitung war ganz schnell tot. Der Neckar-Express wurde von der STIMME aufgekauft.

Und ich war ganz plötzlich echo-Chefredakteur.

Naja - ich hatte immer das Gefühl, dass Verleger in Heilbronn mich und meine Arbeit nicht sonderlich mochten – und ich dachte mir: weil sie mich und meine Arbeit nicht verstanden, das ist gut so.

Insofern: Ich machte so viele Fehler, nicht nur - weil ich auf das Geld für die Verleger geschaut habe.

Obwohl ich wusste, dass viele mächtige und reiche Leute in Heilbronn nur spießige Kapitalisten und Biedermeier waren und sind, habe ich dieser Spießer und ihr Denken und ihre Ideologie nie ernstgenommen.

Ich hätte mir jeden Tag sagen sollen, ob sie mich hassen oder nicht, ich  gehe jeden Tag mit kaltem Herzen in die geld-gierige Verlagshäuser. 

Aber - leider, leider – das konnte ich nicht. 

Bert Brecht sagt in seiner  Mutter Courage: Man muss im Krieg eine lange Wut haben, die kurze Wut bringt nichts im Krieg.
 
Das komische ist: Ich wusste immer, was ich tun sollte und musste – beim täglichen Handeln … nur kamen die Leut mir dazwischen.

Jetzt kann ich mich fragen: 
Warum? 
Die Frage ist zu spät – ich bin über 66 Jahre alt.

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