Mittwoch, 17. Juni 2015

17.06.2015 - Juden und Christen

DIE WELT.de, 18.Juni 2015

Beschmierte Kirchen in Jerusalem

Christen berichten dennoch von einem Klima zunehmender Fremdenfeindlichkeit. Das spüre man vor allem in Jerusalem, sagte der Bischof von Aachen, Heinrich Mussinghof, der "Welt" – dort habe die Zahl der Ultraorthodoxen sehr zugenommen, und die würden fortwährend "aggressiver". "Priester oder Personen, die offensichtlich als Christen erkennbar sind, machen immer öfter die Erfahrung, dass sie belästigt oder angespuckt werden", so Mussinghof. Auch Kirchen wurden in der Heiligen Stadt beschmiert, christliche Friedhöfe geschändet, vor einem Jahr versuchten Unbekannte einen Brand in der Dormitio-Kirche zu legen, der glücklicherweise rechtzeitig entdeckt und gelöscht werden konnte.

Rabbiner Soussan ist über diese Entwicklung schockiert: "Das Bild verbrannter Synagogen hat in Deutschland doch die Slogans 'Nie wieder' und 'Wehret den Anfängen' geprägt. Dass jetzt in Israel Extremisten auf ähnliche Weise mit Feuer das Judentum besudeln, macht uns unglücklich. Wir verurteilen dies aufs Schärfste." Mit dieser Empörung ist der Frankfurter Rabbiner nicht allein. Israels Oberrabbiner sandte einen Kondolenzbrief nach Tabgha, auch die "breite Bevölkerung" habe ihre Solidarität bekundet, sagte Pater Matthias.

Dennoch bemängelt Mussinghof mangelnde Aufklärungsarbeit: In der israelischen Mehrheitsgesellschaft erhielten Schüler "keine Informationen über andere Religionen. Da kommen Christen höchstens als Kreuzritter vor. Es gibt für dieses Thema einfach zu wenig Interesse." Dennoch könne man nicht generell von Christenfeindlichkeit sprechen: "Ja, es gibt radikale Gruppen. Ja, es gibt Anschläge. Aber es gibt viele Beispiele für friedliche Koexistenz", so Mussinghof. Auch Pater Matthias, der im Radiointerview noch hörbar unter dem Einfluss der nächtlichen Ereignisse stand, will das Land nicht verlassen, und fürchtet nicht um sein Leben: "Ich lebe sehr gern hier und habe viele Freunde. Normalerweise leisten die Sicherheitsdienste ja auch eine gute Arbeit. Leider mussten wir jetzt aber die Erfahrung machen, dass es hier auch Extremisten gibt."

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