DIE WELT.de, 18.Juni 2015
Beschmierte Kirchen in Jerusalem
Christen
berichten dennoch von einem Klima zunehmender Fremdenfeindlichkeit. Das
spüre man vor allem in Jerusalem, sagte der Bischof von Aachen,
Heinrich Mussinghof, der "Welt" – dort habe die Zahl der Ultraorthodoxen
sehr zugenommen, und die würden fortwährend "aggressiver". "Priester
oder Personen, die offensichtlich als Christen erkennbar sind, machen
immer öfter die Erfahrung, dass sie belästigt oder angespuckt werden",
so Mussinghof. Auch Kirchen wurden in der Heiligen Stadt beschmiert,
christliche Friedhöfe geschändet, vor einem Jahr versuchten Unbekannte
einen Brand in der Dormitio-Kirche zu legen, der glücklicherweise
rechtzeitig entdeckt und gelöscht werden konnte.
Rabbiner
Soussan ist über diese Entwicklung schockiert: "Das Bild verbrannter
Synagogen hat in Deutschland doch die Slogans 'Nie wieder' und 'Wehret
den Anfängen' geprägt. Dass jetzt in Israel Extremisten
auf ähnliche Weise mit Feuer das Judentum besudeln, macht uns
unglücklich. Wir verurteilen dies aufs Schärfste." Mit dieser Empörung
ist der Frankfurter Rabbiner nicht allein. Israels Oberrabbiner sandte
einen Kondolenzbrief nach Tabgha, auch die "breite Bevölkerung" habe
ihre Solidarität bekundet, sagte Pater Matthias.
Dennoch
bemängelt Mussinghof mangelnde Aufklärungsarbeit: In der israelischen
Mehrheitsgesellschaft erhielten Schüler "keine Informationen über andere
Religionen. Da kommen Christen höchstens als Kreuzritter vor. Es gibt
für dieses Thema einfach zu wenig Interesse." Dennoch könne man nicht
generell von Christenfeindlichkeit sprechen: "Ja, es gibt radikale
Gruppen. Ja, es gibt Anschläge. Aber es gibt viele Beispiele für
friedliche Koexistenz", so Mussinghof. Auch Pater Matthias, der im
Radiointerview noch hörbar unter dem Einfluss der nächtlichen Ereignisse
stand, will das Land nicht verlassen, und fürchtet nicht um sein Leben:
"Ich lebe sehr gern hier und habe viele Freunde. Normalerweise leisten
die Sicherheitsdienste ja auch eine gute Arbeit. Leider mussten wir
jetzt aber die Erfahrung machen, dass es hier auch Extremisten gibt."
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