Ein Freund von mir - spricht und bewegt sich in Mimik, Gestik, im Gehen - fast so wie Ryan Gosling. Seit ich die Filme mit Ryan Gosling kenne, da wundere ich mich immer wieder, wie Menschen sich ähneln können. Ich mag meinen Freund nicht, weil er so ähnlich ist wie Ryan Gosling, sondern weil er so ist wie er ist - dieser Freund. Deshalb ... auch ... Ryan Gosling, den ich nicht kenne.
Ein wunderbares Gespräch mit dem wunderbaren Ryan Gosling - in der SÜDDEUTSCHEN:
Die Aura ist noch da. Wenn man als Mann mit einem gewöhnlichen
Angestelltenleben in einer Hotelsuite in Beverly Hills sitzt, die Tür
aufgeht, und Ryan Gosling
eintritt, muss man das einfach umstands- und neidlos anerkennen. Es ist
gar nicht das oft besungene Aussehen. Der 34-Jährige gilt als
Frauenschwarm, aber ein klassischer Beau ist er nicht. Auch nicht
besonders groß oder breit. Oder stilsicher. Gosling trägt beim Interview
einen schlabbrigen Wollpulli, drüber ein Goldkettchen, dazu
ungekämmte Haare.
Der Eindruck, den er trotzdem macht, und das schon in den ersten
Sekunden, ist einer, den man gerade als Deutscher selten erlebt: sehr,
sehr lässig. Da ist nichts von dem, was so viele Männer für männlich
halten. Kein künstlich fester Händedruck. Kein breitbeiniges
Aufgeplustere. Kein Gelächter über die eigenen Pointen. Gosling ist
distanziert, aber auf eine freundliche Weise. Fragen, die er blöd
findet, etwa nach seiner Freundin Eva Mendes oder der gemeinsamen
Tochter, bringen ihn nicht aus der Fassung. Er beantwortet sie mit "Hm",
"Ja" und "Nein". Bis man aufgibt. Dann lächelt er. Gosling wird in den 45
Minuten, die man ihm gegenübersitzt, nur einmal ungemütlich. Da geht es
um seinen aktuellen Film "Lost River". Genauer: um die Filmkritiker.
Albern. Überambitioniert. Kindisch. Das war der Tenor der
Rezensenten, als Gosling den Film, der am Donnerstag in Deutschland
anläuft, in Cannes vorgestellt hat. Es soll sogar Buhrufe im Kinosaal
gegeben haben. "Das wurde alles übertrieben", schimpft Gosling im Gespräch.
Sein Film - die Geschichte einer alleinerziehenden Mutter, die in einer
verlassenen Stadt um ihr Zuhause und um ihre Kinder kämpft - sei
wunderschön. Die Schauspieler: "toll". Die Kamera: "toll". Und erst
die Musik!
Die Kritiker hätten all das aber ignoriert und sich stattdessen
an der Tatsache abgearbeitet, dass er Regie geführt habe. Endlich. Die
Chance, dem ach so tollen Gosling eine mitzugeben. Diesem Typen, der
sich mit harten, kleinen Indie-Filmen wie "Drive" einen Ruf erspielt
hat, wie man es in Hollywood höchstens einmal im Jahrzehnt erlebt. Seit
Steve McQueen hatte keiner so lässig hinterm Steuer ausgesehen, wie
Gosling als der namenlose Stuntman mit dem Skorpion auf der Bomberjacke
und dem Zahnstocher im Mundwinkel.
Und jetzt das. Eine Niederlage. Herrlich.
"Es hat sich angefühlt, als sei es für viele Typen eine
persönliche Angelegenheit", sagt Gosling. Er bleibt ruhig, als er
darüber spricht. Er wirkt immer noch lässig. Aber man merkt, dass die
Eisschicht, die den Kanadier angeblich vom Rest der Welt trennt, dünner
ist als angenommen. Er sagt "Typen", wenn er über seine Kritiker
spricht. Aber er hat sich die Namen gemerkt.
Am Ende des Treffens gibt es dann wieder einen Moment, der den
Gast aus Deutschland daran erinnert, dass Gosling trotz seines
gekränkten Stolzes doch kein gewöhnlicher Mann ist. Der Schauspieler
gibt zum Abschied die Hand, trocken und nicht übertrieben fest, und geht
zur Tür. Draußen wartet der nächste Gesprächspartner, eine Kollegin aus
Australien. "Hi, ich bin Ryan", hört man ihn sagen. Die Antwort ist ein
eigenartiges Geräusch. Die Stimme der Journalistin rutscht mindestens
eine Oktave nach oben. "Ach", hört man sie quieken, "das weiß ich doch".
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